Nordostchemie - Statement//
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Statement zur aktuellen Lage der chemisch-pharmazeutischen Industrie
Statement von Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Chemischen Industrie e.V., Landesverband Nordost, zur aktuellen Lage der chemisch-pharmazeutischen Industrie und notwendige Maßnahmen zur Stabilisierung der Industrie:
„Für die chemisch-pharmazeutische Industrie, eine der wichtigsten Säulen für Wohlstand und gut bezahlte Arbeitsplätze, geht es um die Existenz.
Die anhaltend hohen Energie- und Rohstoffkosten – vor allem für Strom und Erdgas – sind im internationalen Vergleich gegenüber Konkurrenten aus Asien, den USA und anderen europäischen Ländern nicht wettbewerbsfähig. Dasselbe gilt für die im innereuropäischen Vergleich unverhältnismäßig hohen Abgaben- und Steuerbelastungen sowie Kosten durch Regulierung. Dies alles hat insbesondere in den letzten beiden Jahren zu einem Anstieg der nicht mehr wettbewerbsfähigen Produktionskosten geführt, mit der Folge, dass die Nachfrage nach in Deutschland hergestellten Produkten zurückgeht, die Kapazitätsauslastung sinkt und zusätzliche Unterauslastungskosten entstehen.
Die Konsequenz: Unternehmen kehren Deutschland den Rücken, Produktionen werden geschlossen, Firmen – zunehmend im Mittelstand – gehen in die Insolvenz und wichtige Investitionen bleiben aus. Bereits im vierten Quartal in Folge sinkt die Zahl der Beschäftigten. Dadurch ist unser gesamtes System in Gefahr: Allein Chemie und Pharma stehen in Ostdeutschland für mehr als 60.000 Beschäftigte und rund 31 Mrd. Euro Umsatz. Die Unternehmen tragen überproportional zum Steueraufkommen bei und generieren hohe Wertschöpfung in weiteren Bereichen: Jeder Arbeitsplatz der Branche führt zu zwei weiteren, jeder erwirtschaftete Euro stößt 80 Cent zusätzliche Wertschöpfung an. Die Produkte berühren alle Bereiche unseres täglichen Lebens, darunter etliche systemrelevante.
Was wir jetzt brauchen, um die Branche zu stabilisieren, sind kurzfristige Entlastungsmaßnahmen auf Bundesebene. Konkret:
- Entlastung bei den Netzentgelten: Diese haben sich Anfang 2024 im Vergleich zu 2023 (durch den Wegfall des Bundeszuschusses) mehr als verdoppelt. Als erste Sofortmaßnahme muss der komplette Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten wieder eingeführt werden. Dies würde die Wirtschaft auch in der Breite entlasten.
- Einführung eines Industriestrompreises: Um im internationalen Vergleich nicht weiter an Boden zu verlieren, muss ein temporärer Industriestrompreis (insbesondere für energieintensive Produktionen) von 4 Cent/kWh – inklusive der Netzkosten, Steuern und Abgaben – eingeführt werden.
- Abschaffung der Gasspeicherumlage: Die Umlage wurde seit der Einführung 2022 schrittweise erhöht. Mit der weiteren Erhöhung ab Januar 2025 ergibt sich eine Verfünffachung der Kosten innerhalb von zwei Jahren. Die Umlage muss unverzüglich abgeschafft werden, um die Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu entlasten. Insgesamt muss es das Ziel sein, die jetzigen Gaspreise mindestens zu halbieren.
Wir brauchen einen parteiübergreifenden Schulterschluss auf Landes- und Bundesebene, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schlüsselindustrie Chemie und Pharma wiederherzustellen. Jeder weitere Tag des Status quo führt zur Destabilisierung des Gesamtsystems, Wohlstandsverlust unserer Gesellschaft.